Was damals geschah Die »Einzelaktion« ist ein Format-Mix aus Theateraufführung und Kunstausstellung. Bei Es war einmal entfaltete sich der Handlungsrahmen der Aktion im Spannungsfeld von Wiederholung und Einmaligkeit. Das Geschehen war in sechzehn simultan ablaufende Situationen aufgeteilt, die jeweils nur einzeln erlebt werden konnten und alle im Umkreis der Akademie der bildenden Künste in Wien stattfanden: in einer Parkgarage und einem Kino, auf Autofahrten, in Hotelzimmern, Hinterhöfen, Lokalen, Lagern, öffentlichen Plätzen und Wohnungen. Die Aktion begann in einem leer stehenden Raum – dem »Zwischenraum« –, in dem eine Lobbysituation aufgebaut war. Der Zwischenraum ist ein wesentliches Element jeder Einzelaktion, er hat einerseits die Funktion einer Schwelle von der realen Umwelt in die areale Inszenierung und dient andererseits als Aufenthaltsraum für die nach Beendigung ihres Teilgeschehens wieder Zurückgekehrten. Hier startete das Geschehen: Den Teilnehmenden wurden die Regeln der Aktion erklärt, anschließend wurden sie von Weggefährten jeweils separat zu ihrem »Ereignisraum« – so die Bezeichnung für die Einzelinszenierungen – und wieder zurück gebracht. Die an der Aktion teilnehmenden sechzehn Einzelgänger und Einzelgängerinnen waren in diesem Fall die Prüfungskommission der Professoren und Professorinnen der Akademie. Jeder Teilnehmende konnte nur einmal in einen einzigen Ereignisraum, das zur gleichen Zeit vonstatten gehende Gesamtgeschehen war für keinen Einzelnen überschaubar. Die Aufführung dauerte eine halbe Stunde. Wieder im Zwischenraum angelangt, stand es den Teilnehmenden nach Beendigung des Geschehens frei, sich über das im Alleingang Erlebte auszutauschen. Zur selben Zeit trafen sich die etwa 100 beteiligten Mitwirkenden (darunter professionelle und Laiendarsteller, Performer, Tänzer, u. a.) in einem für die Aktion genutzten nahe gelegenen Kino, um ebenso Gelegenheit zu erhalten, einander über das Erlebte zu erzählen und mehr über Ablauf und Zusammenhang der einzelnen Ereignisräume zu erfahren. |
What happened then The ‘solo action’ is a format-mix of theatre staging and art exhibition. In Es war einmal (Once upon a time) the action developed its theme around the antagonism of repetition and moment. The action was divided into sixteen simultaneously proceeding situations which could each only be experienced by one visitor, and took all place around the Academy of Fine Arts in Vienna: in a multi-storey car park and a cinema, on car journeys, in hotel rooms, courtyards, stores, warehouses, public squares and apartments. The action began in a vacant room – the ‘interspace’ – in which a lobby situation had been set up. The interspace is a basic element of any solo action, on the one hand it works as a threshold from the real surroundings into the areal action and on the other hand it is a gathering place for returning participants when their part of the action is over. Here the event started: The rules of the action were explained to participants, and subsequently they were each separately brought to their ‘event space’ – the name of the individual situations – by companions, who also brought them back afterwards. The sixteen solo walkers in this case comprised of the examination board of the professors of the Academy. Each participant could only go into one single event space one single time, making it impossible for individuals to have an overview of the total proceedings simultaneously taking place. The act lasted for half an hour. When the event was over and they had returned to the interspace participants were free to talk to each other about the impressions they had experienced during their solo walks. At the same time the approximately 100 collaborators who were involved in the action (professional and lay actors, performers, dancers et al.) met at a nearby cinema, which was used for the event, in order to share their impressions with the others in the same way and find out more about the action and the overall context of the individual event spaces. |
Begegnung im Alleingang Es war einmal konnte man nur im Alleingang erleben. Es ging darum, die gewohnte Haltung des Rezipienten als Teil einer einem externen Schauspiel gegenüber unbeteiligten Zuschauerschaft durch den Einsatz anderer Spielregeln zu Fall zu bringen – ohne ihn dabei zu überrumpeln. Die auf Erklärung und Beurteilung abzielende, sichere Distanz, an der man als Ausstellungsbesucher unter vielen bei der Betrachtung eines Kunstwerks festhält, sollte ausgesetzt werden – eine Art Umkehrung des Betrachterverhältnisses: hier ging es nicht ums Zuschauen, sondern um Vorgänge, um ein Geschehen, das den Betrachter anblickt und zur Antwort auffordert. Solange man sich in der arealen Inszenierung befand, konnte man nicht anders als teilzunehmen. Nicht so sehr das, was im einzelnen Erleben in Erscheinung tritt, war dabei das Entscheidende, sondern dass es geschieht – der Masse von Beobachtern und Richtern eine Komplizin, einen Ko-Akteur zu entreißen. |
Solo Encounter Es war einmal could only be experienced alone on a solo trip. The aim was to overthrow the conventional attitude of the recipient as an uninvolved viewer who is washed over by watching a spectacle by changing the rules of the game – but without ambushing him. The safe distance directed towards explanation and judgement which one preserves while looking at a work of art as one exhibition visitor among many was to be suspended. A kind of inversion of the viewing relationship: here it was not about watching but about actions – about a happening that gazes at the viewer and asks for a response. As long as one was in an event space one could do nothing else but participate. It was not so much what emerged in individual experience that was decisive but the fact that it happens – to snatch an accomplice, a co-actor from the mass of observers and judges. |
Verteilter Entzug Jeder Einzelgänger konnte nur ein einziges Mal in jeweils ein Teilstück der Aktion eintauchen. Dabei war jede Begegnung für jeden Alleingänger anders und im buchstäblichen Sinn einmalig, jeder bekam seine Fassung des Geschehens auf eigene und intime Weise. Es gab keinerlei Erklärung, Information oder Interpretation zu den jeweiligen Situationen, ging es doch gerade um den Verzicht von Überblick, Verständlichkeit, Geschlossenheit und um das Zusammenspiel der Unüberschaubarkeit eines Ganzen mit der Öffnung auf den Augenblick. |
Dispersed Withdrawal Each solo walker could only dip into one part of the whole staging one single time, making each encounter different and literally unique for each participant. Each person experienced his version of occurrences in his own inimitable and intimate way. There was no explanation, no information or interpretation on the particular situations. Any claim for an overview, comprehensibility or completeness was rejected, as it was precisely about the interplay of the lack of overview of a whole with the opening up for the moment. |
Räumung des Areals Bereits bei Betreten des »Zwischenraums« war man im Geschehen, und auch die Wege zu den »Ereignisräumen« folgten einer Dramaturgie. Der dazwischen liegende Stadtraum wurde zum erweiterten Aufführungsareal transformiert – und damit auch der Blick auf ansonsten Nebensächliches. Es ging um Situationen, in denen sonst eindeutige Grenzen verschwimmen und in denen ungewiss wird, wo Kunst beginnt und wo sie endet – darum, eine behauptete Neutralität von Zeit und Raum zu verunmöglichen. Kein für sich bestehender Container-Raum, der die Grenzen zwischen künstlerischer Inszenierung und rahmender Realität klar markieren würde, kein Jenseits der Bühne, in dem man seiner Zuschauerrolle versichert würde – alles war möglicherweise Teil der Inszenierung. Kein Werk auszustellen, sondern ein Areal aufzustellen, darum ging es. |
Spacing the Areal Upon entering the ‘interspace’ one was already in the midst of the action, as the routes to the ‘event spaces’ also continued an dramaturgy. The city space in between was transformed into an extended areal of action – and with it a look at what is otherwise peripheral. It was about creating situations in which otherwise clear borders become blurred, in which it becomes uncertain where art begins and where it ends, – any kind of predicated neutrality of time and space was rendered impossible. There was no independent container-space marking the boundaries between artistic performance and framing reality, nothing beyond stage in which one would be safely assured of his role as viewer. It was not about exhibiting a work but rather about installing an areal. |
Eine flüchtige Gemeinschaft Wenn man herausfinden wollte was die anderen Einzelgänger erlebt hatten, konnte man mit ihnen im »Zwischenraum« Kontakt aufnehmen; keine Einzelerfahrung bot den Blick auf das Ganze, jede Erzählung enthielt andere Ausschnitte, Bruchstücke, Perspektiven. Erzählte man einander aber, was man erlebt hatte, war man auch nicht mehr so rasch bei der Urteilsfindung – die zudem durch die ungewohnte Art der Beteiligung und die Unterschiedlichkeit des Erlebten erschwert wurde. Letztlich ging es weniger um das richtige Zusammensetzen aller Einzelteile zum alles vereinigenden Gesamtbild, als um die Möglichkeit des Zustandekommens einer temporären Gemeinschaft aus den Erfahrungen der Alleingänge. Meinungsbildung findet immer von einem feststehenden Standpunkt aus statt. Eben dieser aber wurde entzogen, um die Beurteilungsautomatismen und vorgefassten Meinungen, deren reflexhafte Orientierung an bewährten Mustern und Haltegriffen, zu sabotieren. Es existiert daher auch keine Dokumentation der Aktion bzw. der einzelnen Ereignisräume, kein befried(ig)endes Interpretationsangebot für Außenstehende. Einzelaktionen sind, was sie sind, nur für die direkt Beteiligten, die Aktion existiert nur in diesem vergänglichen Zeit-Raum. Nach Beendigung der Aktion aufgenommene Fotografien der verlassenen Orte und Augenzeugenberichte der teilnehmenden Einzelgänger und Einzelgängerinnen bewahren Andenken und Geheimnis. Um mehr über das Geschehen zu erfahren, besteht weiterhin die Möglichkeit, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Als Einzelgänger nahmen an der Aktion teil: Ute Meta Bauer, Erwin Bohatsch, Gunter Damisch, Peter Dressler, Harun Farocki, Marina Grzinic, Mona Hahn, Bettina Henkel, Matthias Herrmann, Judith Huemer, Katharina Koch, Manfred Pernice, Constanze Ruhm, Stephan Schmidt-Wulffen, Heimo Zobernig und eine Unbekannte. |
A Transient Community If one wanted to know what the other solo walkers had experienced one could approach them in the ‘interspace’. No single experience of what had taken place could gain an overview of the whole action, each story only offered extracts, fragments, perspectives. But on telling one another what had happened, one also no longer arrived so quickly at evaluation – which was anyway made more difficult by the unusual mode of involvement and the different nature of what was experienced. In the end it was less a question of the correct assembly of every story into an all-unifying overall plot but rather the chance of a transient community from the experiences of the solo walks. Judgement always takes place starting from a fixed standpoint. But it was just this that was removed, thereby sabotaging the automatisms of evaluation and preconceived opinions, their reflex-like orientation on established patterns and gripholds. For this reason there is also no documentation of the whole action or the individual event spaces, no satisfying (and pacifying) provision of interpretation for outsiders. Solo actions are what they are only for the direct participant and consist of what happened and existed only for an ephemeral moment. Photographs of the abandoned places, which were taken right after the action, and eyewitness accounts of the participating solo walkers retain memories and mystery. To find out more about what happened there is still the chance to contact them.The following people took part as solo walkers: Ute Meta Bauer, Erwin Bohatsch, Gunter Damisch, Peter Dressler, Harun Farocki, Marina Grzinic, Mona Hahn, Bettina Henkel, Matthias Herrmann, Judith Huemer, Katharina Koch, Manfred Pernice, Constanze Ruhm, Stephan Schmidt-Wulffen, Heimo Zobernig and an unknown person. |